„Schweigen = Tod“ lautete einer der wichtigsten Slogans in der Aidskrise der 80er und 90er Jahre. Heute gilt dieser Satz erneut: Die Aids-Pandemie droht wieder zu erstarken. Aufgrund weltweiter finanzieller Kürzungen sind Millionen Menschenleben in Gefahr. Millionen werden sich mit HIV infizieren. Dazu werden wir nicht schweigen und erheben gemeinsam unsere Stimme.
Seit der Aidskrise hat die Weltgemeinschaft Beachtliches geleistet: Es gibt lebensrettende Medikamente gegen das HI-Virus. Diese sind heute wirksamer und günstiger denn je. Unter Therapie ist HIV nicht mehr übertragbar. Präventionsprogramme wirken.
Die Folge: Immer weniger Menschen sind an Aids gestorben, immer weniger haben sich infiziert. Immer mehr Menschen leben lange und gut mit HIV.
Das weltweite Engagement gegen Aids war so erfolgreich, dass UNAIDS das Ziel ausrief, Aids bis zum Jahr 2030 zu beenden. Wir haben gemeinsam dafür gekämpft und wir haben große Fortschritte gemacht. Millionen Menschenleben wurden gerettet. Versorgungsstrukturen wurden geschaffen. Und es wuchs das Bewusstsein, dass wir Pandemien beherrschen können, wenn wir Hand in Hand arbeiten und die betroffenen Menschen und Communitys zum Dreh- und Angelpunkt unseres Handelns machen.
Die weltweiten Erfolge gegen Aids waren eine historische Leistung und gaben Hoffnung. Aber nun steht alles wieder auf dem Spiel. Eine verhängnisvolle Rückwärtsbewegung hat eingesetzt und könnte bald zu einer Katastrophe führen: dem Wiedererstarken der Aids-Epidemie.
Es begann Anfang dieses Jahres mit dem drastischen Rückzug der USA aus der internationalen Förderung von Gesundheit und Entwicklung. Doch das war nur der Anfang: Statt die Lücken zu schließen, haben andere Länder, darunter Deutschland, ebenfalls Kürzungen angekündigt. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ist massiv geschwächt. Die EU hat die Förderung von HIV-Projekten fast vollständig eingestellt. UNAIDS soll bis Ende 2026 abgewickelt werden.
In vielen Ländern werden nun Menschen Zugang zu lebensrettenden Medikamenten verlieren oder müssen dies fürchten. Einige dieser Länder galten eben noch als Vorbilder im Kampf gegen HIV/Aids. Ohne Therapie werden aus behandelbaren HIV-Infektionen wieder tödliche Aids-Erkrankungen. Menschen mit HIV werden ihrem Schicksal überlassen: einem qualvollen Tod. Es werden massenhaft Kinder sterben oder ihre Eltern verlieren.
Ohne Medikamente wird HIV auch wieder übertragbar. Prävention ist vielerorts schon jetzt nicht mehr möglich. Die Infektionszahlen werden wieder drastisch steigen. Sehr schnell wird es wieder mehr HIV-Übertragungen von Müttern auf ihre Kinder geben. Ganze Länder und Gesundheitssysteme werden dem HI-Virus wieder machtlos gegenüberstehen. Wie vor 40 Jahren – mit dem Unterschied, dass wir heute alles haben, um Leben zu retten.
Kurz: Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, wird Aids mit voller Wucht zurückkommen. Viren kennen keine Grenzen. Die Rückkehr von Aids wird uns alle betreffen.
Die gute Nachricht lautet: Wir haben alle Mittel, um diese Pandemie weiter in den Griff zu bekommen. Wir haben es bereits einmal fast geschafft.
Wir appellieren an die deutsche Bundesregierung und alle Regierungen der Welt:
Verdrängen und verschweigen Sie diese Gefahr nicht länger! Erkennen Sie an, dass sich vor unseren Augen eine Tragödie anbahnt, die wir verhindern könnten.
Setzen Sie sich umgehend für Lösungen ein! Jedes Land muss sich seiner Wirtschaftskraft entsprechend beteiligen. Sorgen Sie für einen angemessenen Beitrag zu den globalen Maßnahmen gegen HIV/Aids!
Stärken Sie internationale Zusammenarbeit! Diese Krise kann die Welt nur gemeinsam bewältigen. Sorgen Sie auf internationaler Ebene dafür, dass endlich mit einem ernstzunehmenden Krisenmanagement begonnen wird und dass internationale Programme und Netzwerke erhalten bleiben.
Kurz: Lassen Sie uns gemeinsam das Menschenrecht auf Leben, Gesundheit und Würde wahren. Dazu braucht es Ihren politischen Willen und finanzielle Mittel.
Allen, die Verantwortung in dieser Sache tragen und bisher schweigen, rufen wir zu: Wacht auf! Wir werden nicht müde werden, darauf zu drängen.
Denn die alte Gleichung gilt: Schweigen = Tod.


